Viele Menschen der unterschiedlichsten Altersstufen leiden unter Harn- bzw. Stuhlinkontinenz. Die Ursachen können Fehlbildungen, Verletzungen oder Krankheiten sein. 80 % der Frauen zwischen 20 und 75 Jahren und 10 % der Männer sind von Harninkontinenz betroffen. Die Stuhlinkontinenz liegt bei beiden Geschlechtern bei rund 10 %.Da im Alter die Problematik eher zunimmt, wird bis 2030 aufgrund der Alterung der Bevölkerung mit einer starken Zunahme der Inkontinenz gerechnet.
Inkontinenz ist nicht nur ein medizinisches Problem, sondern stellt für die Betroffenen eine starke seelische Belastung dar. Viele leiden an Depressionen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Dabei kann eine fachgerechte Behandlung den Betroffenen Linderung verschaffen und sogar zur Heilung beitragen.
Verschiedene Formen von Inkontinenz
Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz)
Stressinkontinenz, auch Belastungsinkontinenz genannt, wird durch den erhöhten Bauchinnendruck bei körperlicher Anstrengung oder Belastung ausgelöst. Darunter fallen Treppensteigen, Tragen und Heben, aber auch Husten, Lachen und Niesen. Ursachen der Belastungsinkontinenz liegen meist im Defekt des Verschlussapparates, häufig durch untrainierte oder überdehnte Beckenbodenmuskulatur wie z.B. nach schweren Geburten.
Dranginkontinenz
Patienten mit Dranginkontinenz verspüren plötzlich einen nicht beherrschbaren Harndrang mit sofortigem Urinverlust. Häufig muss selbst für kleinste Mengen Urin die Toilette aufgesucht werden. Dranginkontinenz kann verschiedene Ursachen haben.
- Sensorische Dranginkontinenz
Die Wahrnehmung der tatsächlichen Blasenfülle ist gestört. Vom Betroffenen wird ein vorzeitiges Füllungsgefühl der Blase beispielsweise durch eine Entzündung, durch Blasensteine oder Obstruktion der ableitenden Harnwege wahrgenommen.
- Motorische Dranginkontinenz
In diesem Fall sind die efferenten Nervenimpulse zum Musculus destrusor, der für die Entleerung der zuständigen Harnblasenmuskulatur, enthemmt. Dies kann zu einer vorzeitigen, sogar krampfartigen Muskelkontraktion führen.
Giggle-Inkontinenz
Bei dieser Form der Inkontinenz wird der unkontrollierte Urinverlust durch kräftiges Lachen verursacht. Diese klinisch schwer feststellbare Inkontinenz wird überwiegend bei Kindern beobachtet, wobei Jungen seltener betroffen sind als Mädchen.
Mischformen
Insbesondere bei Frauen treten die typischen Symptome der Belastungs- und Dranginkontinenz gelegentlich zusammen auf. Häufig ist bei der Mischform eine der beiden Inkontinenzarten deutlich stärker ausgeprägt.
Stuhlinkontinenz
Die Stuhlinkontinenz ist häufig auf Verletzungen des muskulären Verschlussapparates nach Geburten oder Dammrissen zurückzuführen. Auch Verlagerungen des Enddarms durch einen erschlafften Beckenboden können zum Verlust der Kontinenz führen. Nervenschädigungen im Rückenmark, Becken oder Hirn sowie ein übermäßiger Gebrauch von Abführmitteln können Inkontinenz verursachen.
Therapiemöglichkeiten
Manche Inkontinenzformen lassen sich erfolgreich mit Medikamenten behandeln. Allerdings haben diese oftmals Nebenwirkungen, die den Betroffenen zusätzlich sehr belasten können. Auch Operationen können bei Deformationen oder Verletzungen angezeigt sein, sind aber in den meisten Fällen nicht das Mittel der Wahl.
Gerade bei Inkontinenz gibt es eine Reihe nichtmedikamentöser Therapieformen, die sowohl selbstständig als auch begleitend zu anderen Methoden angewandt werden können.
Beckenbodentraining
Die Beckenbodenmuskulatur als Teil des Verschlussapparates von Blase und Darm kann willkürlich beeinflusst werden. Unter fachlicher Anleitung können Kräftigungsübungen erlernt und später selbstständig ausgeführt werden.
Bei der Elektrostimulation werden sanfte elektrische Impulse über Elektroden oder Sonden in Scheide bzw. Enddarm abgegeben und aktivieren den Beckenboden und die Blasenmuskulatur. Das Bedienen der Geräte ist leicht zu erlernen. Die Behandlung ist praktisch frei von Nebenwirkungen, kann in Kombination mit der Beckenbodengymnastik eingesetzt werden und eignet sich hervorragend für die Heimtherapie.
Biofeedback macht körpereigene Vorgänge für den Patienten sichtbar. Gleichzeitig kann er diese Vorgänge willentlich beeinflussen lernen. Biofeedback wird meist in Kombination mit dem Beckenbodentraining und teilweise auch mit der Reizstromtherapie eingesetzt.